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Leistungssteigerung im Sport

Wissenschaftliche Auswirkungen von EMS-Training
Von Dr. Kleinöder, Sporthochschule Köln (2010)

Ausdauer

  • Statische Kraftausdauer: der mittlere Zuwachs liegt bei 30,3 % bei einer mittleren Stimulationsfrequenz von 75 +/- 44 Hz. (1, 2, 3)
  • Dynamische Kraftausdauer: der mittlere Zuwachs liegt bei 41 % bei einer mittleren Stimulationsfrequenz von 76 Hz +/- 10 Hz (2, 4, 5, 7).
  • Langzeitstimulation mit niederfrequenter Stimulation des Skelettmuskels beim Tierversuch (Kaninchen) resultiert in der Ausprägung von hauptsächlich langsam kontrahierenden Muskelfasern mit einem hohen mitochondrialen Anteil (6).

Ausgewählte Literatur dazu:

  1. Alon, G., McCombre, S.A., Koutsantonis, S., Stumphauzer, L.J., Burgwin, K.C., Parent, M.M., & Bosworth, R.A. (1987). Comparison of the Effects of Electrical Stimulation and Exercise on Abdominal Musculature. Journal of Orthopaedic and Sports Physical Therapy, 8(12), 567-573.
  2. Ballantyne, E., Donne, B. (1999): Effect of neuromuscular electrical stimulation on static and dynamic abdominal strength and endurance in healthy males. Sport Science, 431.
  3. Kahanovitz, N., Nordin, M., Verderame, R., Parnianpour, M., Yabut, S., Viola, K., Greenidge, N., Mulvihill, M. (1987). Normal trunk muscle strength and endurance in women and the effect of exercises and electrical stimulation. Part 1: Normal endurance and trunk muscle strength in 101 women. Spine, 12 (2): 105-111.
  4. Kim, C. K., Takala, T. E. S., Seger, J. & Karpakka, J. (1995). Training Effects of Electrically Induced Dynamic Contractions in Human Quadriceps Muscle. Aviat Space Environ Med, 66, 251-255.
  5. Marqueste, T., Hug, F., Decherchi, P. Jammes, Y. (2003). Changes in neuromuscular function after training by functional electrical stimulation. Muscle Nerve 28, 181-188.
  6. Pette, D., Vrbova, G. (1985) Neural control of phenotypic expression in mammalian muscle fibres. Muscle Nerve 8, 676.
  7. Porcari, J., Miller, J., Cornwell, K., Foster, C., Gibson, M., McLean, K., Kernozek, T. (2005). The Effects of Neuromuscular Electrical Stimulation Training on Abdominal Strength, Endurance and Selected Anthropometric Measures. J of Sport Science and Medicine, 4, 66-75.
Ganzkörper-EMS: Stand der Forschung sowie Theorie und Praxis der Anwendung
Dr. Heinz Kleinöder, Sporthochschule Köln

1. Einsatzmöglichkeiten

Niederfrequenter Reizstrom (unter 1 kHz) wird in vielen Bereichen eingesetzt. Dazu zählen medizinisch-therapeutische Anwendungen wie z.B. Prävention von Muskelatrophie oder eine schnellere Rekonvaleszenz. Weitere Einsatzgebiete stellen das Training zur Vorbeugung bzw. Reduktion von Rücken¬beschwerden sowie Harninkontinenz dar. Im Breiten- und Leistungssport wird niederfrequente EMS ebenfalls für die Bereiche Kraft- und Ausdauertraining genutzt. Darüber hinaus stellen Entspannung, Muskelrelaxation und Massage weitere Anwendungsfelder dar.

2. Trainingsformen

Insbesondere im Krafttraining bewirkt niederfrequente EMS ¬eine Verstärkung der willkürlichen Kontraktion, die haltend (isometrisch) in einer bestimmten Winkelstellung oder dynamisch über ein bestimmtes Bewegungsausmaß (ROM = range of motion) erfolgen kann. In der Praxis spannt demnach der Trainierende die Muskulatur an oder er bewegt sie zeitgleich mit der ¬Intensivierung des Reizes durch den aufgeschalteten elektrischen Reiz. Die Stimulation erfolgt lokal oder über mehrere Muskelgruppen bis hin zum Ganzkörper-EMS-Training. Darüber hinaus ist das kombinierte Training zu nennen, wobei ein mechanischer Stimulus (z.B. Hanteltraining) und niederfrequente EMS simultan bzw. sukzessiv eingesetzt werden.

3. Stand der Forschung

Niederfrequente EMS wird in den o.g. Bereichen mit unterschiedlichen Trainingskonstellationen eingesetzt. Die Untersuchung von Fritzsche et al. (2010) zeigt erstmalig die Wirkung von niederfrequentem Ganzkörper-EMS-Training bei herzinsuffizienten Patienten in der Sekundärprävention. Die Verbesserungen hinsichtlich der objektiven Leistungsfähigkeit sowie der Optimierung muskelphysiologischer und metabolischer Parameter fallen signifikant aus. Sie übersteigen die Ergebnisse nach etablierten aeroben Trainingsformen im Rahmen der primären und sekundären kardiologischen Rehabilitation bei Patienten mit CHI (chronische Herzinsuffizienz) bei Weitem. Eine bis zu 96%ige Steigerung der Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle konnte nachgewiesen werden (VO2at 19,39 [± 5,3] ml/kg Körpergewicht [KG] vor Trainingsbeginn; VO2at 24,25 [±6,34] ml/kg KG am Ende der Trainingsphase; p < 0,05). Der diastolische Blutdruck sank signifikant (psyst < 0,05; pdiast < 0,001), der Muskelzuwachs betrug bis 14 % bei Gewichtskonstanz. Die Trainingsmethode wurde zu 100 % akzeptiert (keine Abbrecher) und die Patienten gaben eine deutlich gesteigerte subjektive Leistungsfähigkeit an (vgl. Fritzsche et al. 2010). Kemmler et al. (2009) untersuchten den Einfluss eines niederfrequenten Ganzkörper‐EMS-Trainings auf die Körperzusammensetzung und kardiale Größen bei älteren Männern mit einem Metabolischen Syndrom gemäß IDF. Als wesentlichstes Ergebnis dieser kontrollierten, randomisierten und teilverblindeten Interventionsstudie zeigen sich jeweils signifikante Effekte bezüglich der abdominalen Fettmasse, der Gesamtkörperfettmasse sowie der appendikulären skeletalen Muskelmasse (ASMM) als Kriterium der Sarkopenie (Baumgartner et al., 1998). Niederfrequente EMS kann weiterhin effektiv zur Kraftsteigerung sowohl für untrainierte als auch fitnessorientierte Personen eingesetzt werden. Die durchschnittliche Verbesserung der isometrischen Maximalkraft nach EMS-Training bei untrainierten Probanden lag bei 23,5% (Filipovic 2011). Dabei ist hervorzuheben, dass bei dieser Trainingsform keine hohen Gelenkbelastungen wie bei mechanischem Training auftreten, die Dosierbarkeit stufenlos möglich ist und mühelos über variable Winkelstellungen trainiert werden kann. Darüber hinaus sind Kombinationen mit anderen Krafttrainingsformen möglich. Gemischtes Training (Hypertrophie an Maschinen) kombiniert mit EMS zeigte die größten Maximalkrafteffekte (Kreuzer et al. 2006). Bei isokinetischem Training (exzentrisch und konzentrisch) verbunden mit EMS vergrößerte sich die Muskelgröße um ca. 10 % in 8 Wochen (Ruther et al. 1995; Stevenson et al. 2001). Im Leistungssport zeigen sich bei trainierten Athleten aus verschiedenen Sportarten Anstiege der isometrischen Maximalkraft zwischen 15% und 40%, im Mittel 32,6 % (Filipovic et al. 2011). Wettkampfschwimmer erreichten Verbesserungen des MVC (maximum voluntary contraction) bei exzentrischen und konzentrischen Kontraktionen des m. latissimus dorsi und des m. quadriceps femoris und bessere Freistil-Schwimmzeiten (Pichon et al. 1995). In Bezug auf Schnellkraft und Leistung bestätigen verschiedene Autoren einen positiven Effekt auf die Kontraktionsgeschwindigkeit (Alon et al. 1987, Balogun et al. 1993, Cabric et al. 1987). Weiterhin zeigen EMS-Trainingsgruppen einen hohen Zugewinn in Bezug auf die Bewegungsgeschwindigkeit und steigern dadurch die Leistung signifikant (Kleinöder 2007). Eine Kombination aus klassischem Krafttraining (Hypertrophie) und EMS-Training steigert beide Faktoren der Leistung (Bewegungsgeschwindigkeit und Kraft) (Cabric et al. 1987; Dörmann 2011; Mester/Kleinöder et al. 2010). Dies ist für die Sportpraxis von besonderer Bedeutung, da innerhalb kurzer Zeit die Schnelligkeit als entscheidender Faktor vieler Sportarten verbessert werden konnte. Bei einer Betrachtung von Sprint- und Sprungleistungen nach EMS-Training zeigen Sprintstudien Schnelligkeitsgewinne in einem Zeitraum von 3 Wochen von 3.1% bei Leistungssportlern. Brocherie et al. (2005) verbesserten die 10 m Sprintzeit von Eishockeyspielern um 4.8%. In der Sportart Schwimmen verringerten sich die 25 m Zeit um 1.3% und die 50 m Freistilzeit um 1.45% (Pichon et al. 1995). Bei kombiniertem Krafttraining (Plyometrie/EMS), erzielten Herrero et al. (2006) eine Reduktion der 20m Sprintzeit um 2.3% bei untrainierten Personen. Sprungfähigkeiten zeigten nach EMS-Training Verbesserungen zwischen 2.3% bis 19.2% nach isometrischem EMS-Training (im Mittel +10%) und 6.7% bis 21.4% nach dynamischem EMS-Training (Babault et al. 2007, Kots et al. 1971, Maffiuletti et al. 2000, Paillard 2008). Nach kombiniertem EMS-Training mit klassischem Krafttraining finden sich in der Literatur im Mittel Sprungkraftzuwächse von 11.2±5.5% (Maffiuletti et al. 2002, Herrero et al. 2006).

4. Fazit

Ausgehend von den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von niederfrequenter EMS können folgende Rückschlüsse gezogen werden: EMS-Training verbessert die Kraftausdauerleistungen, sowie den Faktor Bewegungsgeschwindigkeit signifikant. Niederfrequente EMS wurde auch erfolgreich als Unterstützung im Ausdauertraining eingesetzt. Diese Trainingsform birgt ein hohes Potential in der Therapie von Patienten mit Herzinsuffizienz (vgl. Fritzsche 2010). In Bezug auf die Körperzusammensetzung älterer Menschen zeigt das niederfrequente Ganzkörper-EMS-Training bei geringem Trainingsvolumen (ca. 45 min/Woche) und kurzer Interventionsdauer (14 Wochen) signifikante Effekte. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass bei Menschen mit geringer kardialer und orthopädischer Belastbarkeit GK-EMS eine Alternative zu konventionellen Trainingsprogrammen sein kann (vgl. Kemmler et al. 2009). Für den Breiten- und Leistungssport lassen sich Verbesserungen der wesentlichen statischen und dynamischen Kraftparameter (Maximalkraft, Schnellkraft und Leistung) feststellen. Dabei sind dynamische Formen zu bevorzugen, da die Intensitätsteuerung durch die Bewegung vereinfacht wird und die Muskulatur über das gesamte Bewegungsausmaß (ROM) trainiert wird. In der Organisation von niederfrequenter Stimulation stellt das EMS-Ganzkörpertraining eine sehr interessante Trainingsform dar, da alle Muskelgruppen mit unterschiedlicher Akzentuierung angesteuert werden können. Dadurch ist eine hohe Flexibilität der Trainingssteuerung einzelner Muskelgruppen gegeben und gleichzeitig ein zeitsparendes Training gewährleistet (15-20 Minuten). Da mit niederfrequentem Ganzkörper-EMS-Training verschiedene Zielstellungen (von Muskelaufbau bis Entspannung, s.o.) verfolgt werden können, ist diese Trainingsform für Breiten- und Leistungssportler gleichermaßen bedeutsam. Obwohl eine Vielzahl von unterschiedlichen Trainingsprogrammen zu Trainingserfolgen geführt hat, sind zukünftig weitere Studien wünschenswert, die Trainingssteuerung für die verschiedenen Anwendungsfelder weiter verbessern.